"Ihre Leidenschaft, Ihre Tatkraft, Ihr Gemeinsinn, all das verdient allergrößten Respekt und höchste Anerkennung"

Schwerpunktthema: Rede

Schloss Bellevue, , 11. April 2024

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat eine Gesprächsveranstaltung mit dem Titel "Demokratie beginnt vor Ort" mit ehrenamtlichen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern in Schloss Bellevue mit einer Rede eröffnet.

Ob Millionenmetropole oder kleines Dorf, jeder Mensch in unserer Republik lebt in einer Stadt oder einer Gemeinde, und fast jeder kennt den Namen seines Bürgermeisters oder seiner Bürgermeisterin. Dass aber mehr als die Hälfte der knapp 11.000 Kommunen in Deutschland, vor allem kleinere im ländlichen Raum, einen ehrenamtlichen Bürgermeister oder eine ehrenamtliche Bürgermeisterin haben, das ist kaum jemandem bewusst. Auch in der Wissenschaft hat diese besondere Spezies von Stadt- und Gemeindeoberhäuptern bislang ein Schattendasein gefristet. Ein Fachbuch, das jetzt gerade im April erscheint und diese Forschungslücke schließen will, bezeichnet den ehrenamtlichen Bürgermeister deshalb sogar als "das unbekannte Wesen".

In ihren Kommunen sind ehrenamtliche Bürgermeisterinnen und Bürgermeister dabei natürlich alles andere als unbekannt. Aber ich finde, in der großen Öffentlichkeit wird viel zu wenig gesehen und anerkannt, was Sie alles für Ihr Gemeinwesen und damit natürlich auch für unser Land leisten – gerade jetzt, in dieser schwierigen Zeit der Krisen und Umbrüche, in der sich gesellschaftliche Spannungen und Konflikte direkt vor unserer, oder genauer gesagt: vor Ihrer Haustür entladen.

Denn Sie sind es, die vor Ort zuhören, Streit schlichten, Interessen ausgleichen, nach Kompromissen und pragmatischen Lösungen suchen – gemeinsam mit den Mitgliedern der Stadt- und Gemeindevertretungen. Sie sind es, die sich mitten in den Wind stellen und stellen müssen, um Dinge voranzubringen, damit das Miteinander der Verschiedenen gelingt und Ihre Kommune Zukunft hat. Und Sie sind es, die auf diese Weise unsere Demokratie von Grund auf stärken.

Meine Frau und ich, wir freuen uns, dass Sie heute bei uns sind und dieses Schloss zu einer National Town Hall machen, zu einer Art Rathaus der Nation. Hier im Saal sitzen ehrenamtliche Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, stellvertretende Bürgermeister und Ortsvorsteher aus allen Flächenländern unserer Republik. Sie repräsentieren ganz unterschiedliche Orte und Kommunen, von Kleinleinungen im Südharz mit 136 Einwohnern bis hin zur Großstadt Essen mit ungefähr 600.000. Manche von ihnen üben ihr Amt schon seit vielen Jahren aus, andere haben es erst vor wenigen Wochen angetreten.

Sie alle haben einander gestern schon kennengelernt, Erfahrungen ausgetauscht, Kontakte geknüpft. Und heute wollen wir darüber sprechen, was es in dieser Zeit heißt, ehrenamtlicher Bürgermeister zu sein. Wir wollen fragen, warum es kaum oder jedenfalls zu wenige Jüngere gibt, die dieses Ehrenamt ausüben, und viel zu wenige Frauen – dieses Thema wird meine Frau nachher aufgreifen in der Podiumsdiskussion. Und wir wollen diskutieren, was sich ändern muss, damit sich wieder mehr Menschen für das Engagement in der Kommunalpolitik begeistern können.

Mein Dank gilt der Körber-Stiftung – lieber Herr Wehmeier, lieber Herr Dittmer, lieber Herr Tetzlaff –, mit der wir diese Konferenz gemeinsam veranstalten. Sie setzt sich seit Jahren für Amts- und Mandatsträger in den Kommunen ein. Ganz aktuell, im Vorfeld dieser Veranstaltung, haben Sie ehrenamtliche Bürgermeister und Bürgermeisterinnen zu ihrer Situation befragen lassen. Ich bin gespannt, die Ergebnisse der Studie werden Sie uns gleich präsentieren. Auch dafür meinen herzlichen Dank!

Demokratie beginnt vor Ort, das ist der Titel unserer Veranstaltung. Und Sie alle hier im Saal, Sie geben der örtlichen Demokratie Gesicht und Stimme. Seien Sie ganz herzlich willkommen hier im Schloss Bellevue!

In diesem Jahr feiern wir den 75. Geburtstag unseres Grundgesetzes. Das ist ein guter Anlass, finde ich, um sich aufs Neue darüber zu verständigen, was unsere Demokratie eigentlich ausmacht und was sie am Laufen hält. Und wir wollen genau da starten, wo Demokratie beginnt: in den Kommunen nämlich.

Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus knüpften die Verfassungsgeber zunächst in Herrenchiemsee, dann später im Parlamentarischen Rat in Bonn wieder an die lange Tradition der kommunalen Selbstverwaltung in Deutschland an. In Artikel 28 des Grundgesetzes verankerten sie das Recht der Gemeinden, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Und sie legten fest, dass die Bürgerinnen und Bürger auch in Kreisen und Gemeinden – keine Selbstverständlichkeit – eine demokratisch gewählte Vertretung haben müssen.

Weiterentwickelt und gestärkt wurde die lokale Demokratie Jahre später im Zuge der Friedlichen Revolution vor 35 Jahren, auch daran ist zu erinnern in diesem doppelten Jubiläumsjahr. Es waren die ostdeutschen Länder, die nach der Wiedervereinigung Bürgerbegehren und die Direktwahl des Bürgermeisters in ihre Kommunalverfassungen aufgenommen haben – und damit, behaupte ich, auch eine Reformwelle in vielen westdeutschen Ländern angestoßen haben.

Ich finde, das ist – bei allen Unterschieden, die es gibt – eine bemerkenswerte Gemeinsamkeit zwischen den beiden demokratischen Aufbrüchen von 1949 und 1989/90: Sowohl den Müttern und Vätern des Grundgesetzes als auch den ostdeutschen Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtlern war bewusst, dass die parlamentarische Demokratie aus den Wurzeln der kommunalen Selbstverwaltung lebt. Heute, in einer Zeit, in der die Demokratie im Innern und von außen angegriffen wird, sollten wir uns diese Einsicht wieder mehr zu Herzen nehmen.

Denn in den Kommunen wird Demokratie anschaulich und erfahrbar. Hier entscheiden Bürgerinnen und Bürger darüber, wie sie ihren Heimatort gestalten wollen – von der Parkbank bis zum Jugendklub, vom Radweg bis zur Biogasanlage und vieles, vieles andere mehr. Hier erleben sie ganz unmittelbar, dass sie etwas bewirken können. Hier lernen sie, Meinungsverschiedenheiten auszutragen; wenn sie wollen, können sie auch lernen, respektvoll zu streiten, kompromissbereit zu bleiben. Und hier kann, im besten Fall, Vertrauen in demokratische Institutionen wachsen.

Demokratie beginnt vor Ort, das hat sich in den vergangenen Monaten ganz eindrucksvoll gezeigt, als Millionen Menschen überall in unserem Land für Demokratie und gegen Menschenfeindlichkeit auf die Straße gegangen sind, nicht zuletzt, das habe ich gesehen, in vielen kleineren Städten. Und das kann sich auch bei den Kommunalwahlen im Mai und im Juni zeigen, wenn Millionen Wählerinnen und Wähler in neun Bundesländern Gelegenheit haben, mit ihrer Stimme die liberale Demokratie zu stärken.

Diese Wahlen sind keine Nebensache, und sie sind erst recht keine Spielerei. Es geht um die Zukunft unserer Städte und Gemeinden. Und es geht, nicht zuletzt, um die politische Kultur in unserem Land! Um eine politische Kultur, die sich dadurch auszeichnet, dass Bürgerinnen und Bürger die Regeln der Demokratie achten, auch die Rechte ihrer Mitmenschen, dass sie sich an Fakten orientieren und ihre Konflikte im zivilisierten, vernünftigen Streit austragen. Die große Mehrheit der Demokratinnen und Demokraten kann – und ich hoffe: sie wird – bei den Kommunalwahlen ein starkes Votum für die Demokratie des Grundgesetzes abgeben.

Bei meinen "Ortszeiten", zuletzt vor einigen Wochen im ostwestfälischen Espelkamp, erlebe ich immer wieder, wie wichtig gerade die Bürgermeister – ehrenamtliche genauso wie hauptamtliche – für das Gelingen der lokalen Demokratie sind.

Ich weiß, Ihre Aufgaben und Arbeitsbedingungen unterscheiden sich von Land zu Land, von Gemeinde zu Gemeinde. Viele arbeiten mit der hauptamtlichen Verwaltung ihres Gemeindeverbands zusammen, manche sind Chefs einer eigenen Verwaltung, betreiben einen Bauhof oder eine Kita und tragen Personalverantwortung. Aber das Wichtigste ist das, was Sie gemeinsam haben: Jede und jeder von Ihnen ist Oberhaupt und zentrale Integrationsfigur eines lokalen Gemeinwesens.

Sie bereiten Ratssitzungen vor, verhandeln mit Verbandsgemeinde und Kreisverwaltung, sorgen dafür, dass das Schlagloch in der Ortsdurchfahrt verschwindet, der neue Sportplatz gebaut wird oder das Sommerfest stattfinden kann. Sie planen die Zukunft Ihrer Stadt oder Ihres Dorfes, entwickeln Ideen, um Unternehmen und junge Familien anzuziehen, Wirtschaftskraft und Lebensqualität zu erhalten. Und Sie müssen zu alledem vor Ort das umsetzen, was in Bund und Land entschieden wird – ob es um eine klimafreundliche Energie- und Wärmeversorgung geht oder darum, Geflüchtete menschenwürdig unterzubringen.

Vor allem aber stärken Sie den Zusammenhalt vor Ort. Sie besuchen die Ältesten zum Geburtstag, gratulieren Eltern zur Geburt eines neuen Einwohners, ehren langgediente Vereinsvorsitzende für ihr Engagement, informieren über das Gemeindegeschehen, moderieren das Stadt- oder Dorfgespräch, stehen den lokalen Medien Rede und Antwort, klären darüber auf, was die Kommune beeinflussen kann und was sie nicht beeinflussen kann.

Und ich weiß: Die allermeisten von Ihnen haben auch außerhalb der Bürgersprechstunde ein offenes Ohr für die Sorgen und Wünsche der Bürgerinnen und Bürger, ob früh morgens beim Bäcker, abends nach der Chorprobe oder samstags beim Fußballspiel von Sohn oder Tochter. Der Satz, den Sie alle vermutlich am häufigsten hören, geht ungefähr so: "Ach, wo ich Dich gerade sehe…"

Um all diese Aufgaben zu bewältigen, müssen ehrenamtliche Bürgermeisterinnen und Bürgermeister viel Kraft und viel Zeit aufwenden, oft auch abends und an den Wochenenden, und das in den meisten Fällen neben Hauptberuf und Familie. Und wenn man sie fragt, warum sie das tun, dann bekommt man, finde ich, eine ziemlich tolle Antwort: Sie wollen ihre Stadt oder ihr Dorf zu einem besseren Ort machen, gute Lebensbedingungen für die Menschen vor Ort schaffen oder erhalten, Verantwortung übernehmen.

Wo ich Sie gerade sehe: Es ist großartig, wie Sie sich um Ihre Städte und Gemeinden kümmern. Ihre Leidenschaft, Ihre Tatkraft, Ihr Gemeinsinn, all das verdient allergrößten Respekt und höchste Anerkennung. Sie sind die Kraftquellen der Kommunen, Sie halten Städte und Dörfer am Laufen, Sie pflegen und stärken die Wurzeln unserer Demokratie. Ihnen hier im Saal – und allen Ihren Kolleginnen und Kollegen im ganzen Land – meinen ganz herzlichen Dank für Ihren Einsatz!

Wenn unsere Demokratie aus den Wurzeln der kommunalen Selbstverwaltung lebt, dann heißt das eben auch: Wenn die kommunale Demokratie austrocknet, dann verliert der ganze Baum der Demokratie an Kraft.

Ich sehe mit Sorge, dass es den Parteien mancherorts schwerfällt, genügend Kandidaten für die Kommunalwahlen im Mai und im Juni zu finden. Und ich sehe mit Sorge, dass sich in manchen Gemeinden niemand mehr finden lässt, der bereit ist, für das Ehrenamt des Bürgermeisters zu kandidieren. Viele ältere Bürgermeister, die manchmal seit Jahrzehnten im Amt sind und vielleicht sogar gern in den Ruhestand gehen würden, suchen vergeblich nach einem Nachfolger oder einer Nachfolgerin.

Das liegt natürlich auch am demografischen Wandel und daran, dass viele jüngere Menschen aus kleineren Städten und Gemeinden weggezogen sind. Und es hat vielleicht auch damit zu tun, dass manche Jüngere sich ihrem Wohnort, in dem sie augenblicklich wohnen, nicht mehr so stark verbunden fühlen, um sich langfristig in Verantwortung zu begeben und an ein Ehrenamt zu binden. Aber ich bin überzeugt, es wird noch andere Gründe für den Kandidatenmangel geben – und dass wir etwas tun können, um wieder mehr Menschen für das kommunale Ehrenamt zu gewinnen, das hoffe ich sehr.

Zum Schluss fünf kurze Thesen. Die erste These lautet: Kommunen müssen sich für junge Engagierte öffnen.

Früher war in vielen Gemeinden von vornherein klar, wer Bürgermeister wird. Ich habe vor ein paar Wochen ein wunderbares Buch gelesen, "Ein Hof und elf Geschwister" von Ewald Frie, ich habe ihn spontan eingeladen, er war vor drei Wochen hier. Er hat das am Beispiel seines Heimatdorfs im Münsterland beschrieben: Fünf Bauern gab es dort, von denen reihum immer einer Bürgermeister wurde. In anderen Gemeinden war es vielleicht der Dorfälteste oder der Vorsitzende des Schützenvereins.

Aber das ist eben alles lange her. Heute gibt es in vielen Kommunen junge Frauen und Männer, die sich für eine lebenswerte Zukunft in ihrem Ort einsetzen und die lokale Demokratie vielfältiger und digitaler machen wollen – mit neuen Ideen, einem neuen Stil und neuen Leuten. Und manche von denen, das habe ich dann auch gehört bei meinen verschiedenen "Ortszeiten", nicht nur von den Bürgermeistern, sondern auch von anderen Engagierten, machen die Erfahrung, dass sie besonders kritisch beäugt werden und nicht recht zum Zug kommen, weil sie, so vermuten sie, dem überkommenen Bild des Bürgermeisters, des jovialen Bürgermeisters nicht entsprechen.

Das ist schade, weil es sich doch für alle lohnen könnte, auch Neues auszuprobieren! Ich weiß natürlich, in den meisten Gemeinden läuft das und gelingt das schon längst. Heute sind jedenfalls eine ganze Reihe von jungen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern bei uns, die lokale Tradition dadurch bewahren, dass sie Dinge verändern und in Bewegung bringen.

Mein zweiter Punkt: Kommunalpolitik braucht eigene Gestaltungsspielräume.

Bund und Länder dürfen die Kommunen nicht zum bloßen Vollzugsapparat werden lassen, indem sie jede Pflichtaufgabe bis ins Detail regeln und den bürokratischen Aufwand vor Ort immer weiter vergrößern. Und sie sollten die Kommunen auch finanziell nicht überfordern. Ich weiß – Verfassungsgeschichte war mein Wahlfach während meines Jurastudiums –, dass schon bei der Debatte des Grundgesetzes die Forderung erhoben wurde, dass neue Aufgaben nur zusammen mit den nötigen Finanzmitteln übertragen werden dürfen. Mindestens historisch hat diese Forderung jedenfalls Berechtigung, selbst wenn sie von der Realität vielleicht ein Stück entfernt ist.

Das heißt natürlich nicht, dass Kommunen unter Verweis auf knappe Kassen ihre Pflichten vernachlässigen dürften. Aber es ist frustrierend, das verstehe ich, für Bürgermeister und Ratsmitglieder, wenn das Geld im kommunalen Haushalt gerade mal für die Erfüllung der Pflichtaufgaben reicht – und dann kaum noch Geld übrig bleibt für die Dinge, die man eigentlich für die Lebensqualität der eigenen Gemeinde gestalten will, ob das nun ein Zuschuss für eine Theatergruppe ist, ein neuer Anstrich für das Feuerwehrhaus oder eine Wildblumenwiese am Ortsrand.

Ich bin überzeugt: Es muss in Städten und Gemeinden möglich bleiben, die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regeln. Es ist dieser Gestaltungsspielraum, der kommunalpolitisches Engagement nicht nur erfolgreich, sondern vor allen Dingen auch attraktiv macht.

Dritte These: Das Ehrenamt muss mit Beruf und Familie vereinbar sein.

Hoher Zeitaufwand, Termine am Abend und am Wochenende, das ist gerade für jüngere Männer und – immer noch vor allem – für jüngere Frauen ein Problem, die mitten im Berufsleben stehen und Kinder haben.

Ich weiß, Sie diskutieren darüber, wie man die Vereinbarkeit von Bürgermeister-Ehrenamt, Hauptberuf und Familie verbessern kann. Digitale Verwaltung und Online-Meetings, einfachere Freistellung vom Arbeitgeber, Anspruch auf Lohnersatz – das sind einige der Vorschläge, die im Raum stehen. Und es mag auch sein, dass in manchen größeren Gemeinden es auch sinnvoll sein könnte, das Ehrenamt des Bürgermeisters in ein Hauptamt umzuwandeln, obwohl ich nicht gehört habe, dass es dafür eine wirklich nennenswerte Bewegung gibt.

Aber bei allen Debatten dürfen wir eins nicht aus den Augen verlieren: Reformen sollten die kommunale Demokratie stärken, nicht schwächen. Wir brauchen auch in Zukunft überschaubare politische Einheiten, in denen Bürgerinnen und Bürger über ihr unmittelbares Lebensumfeld bestimmen können. Und wir brauchen in Kleinstädten und Landgemeinden, davon bin ich überzeugt, ganz sicher weiterhin ehrenamtliche Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die das Vertrauen ihrer Nachbarn genießen, die die Interessen ihres Ortes vertreten und die vor allen Dingen Politik auf dieser Ebene erklären und durchschaubar halten.

Der vierte Punkt ist mir besonders wichtig, gerade in diesen Zeiten: Wir müssen Amts- und Mandatsträger in den Kommunen besser schützen.

Die Verrohung der öffentlichen Auseinandersetzung treibt uns seit Jahren um, und die aktuelle Umfrage ist leider kein Grund zur Entwarnung: Jeder dritte ehrenamtliche Bürgermeister und sogar jede zweite ehrenamtliche Bürgermeisterin berichten, dass sie selbst oder jemand aus ihrem privaten Umfeld schon einmal wegen ihres Amtes beleidigt, bedroht oder tätlich angegriffen worden sind. Und nicht wenige von ihnen sagen, dass sie aus Sorge um ihre Sicherheit oder die Sicherheit ihrer Familie schon einmal darüber nachgedacht haben, sich aus der Kommunalpolitik zurückzuziehen. Viele haben es getan. Und einige von denen habe ich getroffen.

Wenn Bürgermeister oder Gemeinderäte bestimmte Reizthemen nicht mehr ansprechen, ihre Social-Media-Accounts löschen oder sogar ihr Amt oder Mandat niederlegen, um sich und ihre Familie vor Anfeindungen zu schützen; wenn Menschen, die gern kandidieren würden, davon Abstand nehmen, weil sie nicht Zielscheibe des Hasses werden wollen, dann dürfen Demokratinnen und Demokraten das nicht einfach achselzuckend hinnehmen!

Demokratie beginnt vor Ort, aber sie wird auch vor Ort bedroht – und wir müssen sie deshalb auch vor Ort verteidigen! Das ist heute meine Bitte an alle Bürgerinnen und Bürger: Machen wir uns gemeinsam stark für den zivilisierten Streit im öffentlichen Raum, was auch immer uns sonst politisch trennen mag! Zeigen wir Zivilcourage, stellen wir uns geschlossen und entschlossen an die Seite von Amts- und Mandatsträgern, die mit Hass oder sogar Gewalt bedroht werden!

Ich weiß, es erfordert oft Mut, Gesicht zu zeigen, vielleicht noch mehr Mut in kleineren Gemeinden und Orten. Aber es gibt auch eine Erfahrung: Wer aufsteht und widerspricht, wenn Lügen, Hass und Menschenfeindlichkeit verbreitet werden, der bleibt in den allermeisten Fällen nicht allein. Und je mehr Demokratinnen und Demokraten Zivilcourage zeigen, desto wehrhafter wird unsere Demokratie sein!

Mein fünfter und letzter Punkt richtet sich noch mal an Sie alle hier im Saal: Bitte sagen Sie weiter, dass Kommunalpolitik Freude macht!

Zuhause ist man da, wo man gemeinsam mit seinen Nachbarn etwas aufbauen kann – Zusammenhalt, könnte man kürzer sagen, entsteht durch zusammen tun. So habe ich es früher in meinem Heimatdorf, 900 Einwohner, kennengelernt, und viele von Ihnen können vermutlich davon berichten, wie erfüllend es ist, seinen eigenen Lebensort mitzugestalten. Wer sich in der Kommunalpolitik engagiert, kommt seinen Mitmenschen näher, erfährt Zusammenhalt, lernt Neues kennen. Ich hoffe jedenfalls, Sie stimmen mir zu, wenn ich sage: Das Ehrenamt des Bürgermeisters ist ein besonders anspruchsvolles, aber auch ein besonders schönes Ehrenamt.

Sie alle hier machen Mut, dass es uns gelingen wird, die Krisen und Umbrüche dieser Zeit miteinander und gemeinsam zu bewältigen – nicht zuletzt dank der demokratischen Selbstverwaltung in starken Städten und Gemeinden.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit, ich freue mich auf die weiteren Gespräche.